
Selbstwirksamkeit
mensch-sein
Würde Oscar Wilde die KI als Werkzeug der Befreiung oder als Verstärker der Monotonie sehen?
Oscar Wilde (1854–1900) lebte lange vor der digitalen Revolution, doch seine Kritik an der Monotonie des Typischen bleibt hochaktuell. Er forderte die Kunst auf, ihre Kraft der Zerstörung durch Individualismus immer wieder neu zu entfalten – um Räume zu schaffen, in denen Menschsein möglich wird.
Er rief dazu auf, sich aus der Sklaverei der Gewohnheit zu befreien – aus einem unsichtbaren Gefängnis, das sich langsam um uns legt, bis es unser Menschsein erstickt.
Er vergleicht diese Art zu leben mit der Erniedrigung des Menschen zur Maschine. Was würde Oscar Wilde wohl heute zur Entwicklung der KI sagen? Würde er sagen, dass der Mensch sich nicht nur zur Maschine erniedrigt, sondern zum bloßen Bediener einer Maschine – ein Inputgeber, nicht mehr gleichwertig, sondern unterlegen?
Aus meiner Sicht könnte seine Beschreibung so aussehen:
1. Automatisierte Arbeitswelt – Mensch als Maschine
In vielen modernen Berufen sind Menschen zunehmend gezwungen, sich den Abläufen von Algorithmen und Maschinen unterzuordnen.
- Callcenter-Mitarbeiter: Ihr Spielraum für Kreativität und echtes Zuhören ist minimal – Skripte und formale Logiken diktieren, was gesagt werden darf.
- Logistikarbeiter bei Amazon: Algorithmen überwachen Arbeitsabläufe, setzen Pausen und optimieren Bewegungen – Eigeninitiative wird zur Ausnahme.
➡️ Oscar Wilde könnte sagen: Menschen werden schlechter behandelt als Maschinen, da sie deren Tempo und Logik unterworfen sind.
2. Social Media – Der Mensch als reaktiver Inputgeber
Plattformen wie TikTok, Instagram oder YouTube leben davon, dass Nutzer:innen unentwegt Inhalte konsumieren und generieren. Doch wie viel davon ist wirklich individuell?
- Algorithmus-gesteuerte Kreativität: Inhalte werden produziert, weil es vom Algorithmus bevorzugt wird – nicht aus einem echten Ausdruckswunsch.
- Dopamin-Schleifen: Menschen werden in eine endlose Konsumschleife gezogen, in der sie immer wieder ähnliche Inhalte sehen. Ein Gefängnis der Wiederholung, das echtes Denken blockiert und ersetzt.
➡️ Oscar Wilde könnte fragen: Werden wir nicht nur zur Maschine, sondern zur Marionette eines Algorithmus?
3. Bildungssystem – Die Konditionierung zur Norm
Schulen und Universitäten fördern oft Anpassung an Konventionen, statt Kreativität und eigenständiges Denken.
- Standardisierte Prüfungen: Schüler:innen lernen, Antworten zu geben – nicht, die richtigen Fragen zu stellen.
- Wenig Raum für Individualität: Unkonventionelle Denkweisen gelten als „abweichend“ oder „unnütz“ – und werden bestraft (falscher Lösungsweg).
➡️ Oscar Wilde könnte sagen: Die Bildung macht den Menschen zur Maschine, indem sie ihn auf Normen konditioniert.
Doch wie lange dauert es, bis wir uns dieser Konditionierung bewusst werden? Und vor allem – wie befreien wir uns davon?
Ich fordere jeden Menschen auf, für sich selbst zu prüfen,
- ob er in der Sklaverei der Gewohnheit gefangen ist,
- ob er sein Gefängnis der Konventionen verlassen möchte,
- ob er sich noch als Mensch oder mehr als Maschine – oder deren Handlanger – fühlt.
„Wenn der Mensch Gefahr läuft, sich selbst zur Maschine zu degradieren – wo bleibt dann das, was ihn wirklich menschlich macht?“
Kunst könnte die Antwort sein. Doch viel zu oft wird sie zur Ware, erfüllt politische Vorgaben oder passt sich an, statt aufzubrechen.
Dabei hat Kunst das Potenzial, Raum für Individualität und Chaos zu schaffen – für Übergänge und Neuanfänge. Nicht die Kunst, die für Millionen gehandelt wird, sondern die Kunst, die aus echter Individualität entsteht.
Es braucht mehr von dieser Kunst in unserem Leben!
Kunst als Kraft des Individuums, das gesellschaftliche Muster aufbricht und neue Möglichkeiten schafft (Wilde nannte das Zerstörung). Kunst als Chaos, das Übergänge ermöglicht. Davon braucht es mehr.
Welche Künstler kennt ihr, die sich gegen Konventionen stellen und durch Chaos Neues schaffen?
Haben wir gesellschaftlich die Räume, um diese Künstler zu (er-)tragen?
Wenn Demokratie nicht nur durch Wahlen definiert wäre, sondern
- durch die Fähigkeit einer Gesellschaft, radikale Individualität zu ermöglichen – ja, sie sogar zu fördern (durch Kunst),
- in einem Dialog gesellschaftlich kontroverse Themen zu besprechen,
- und dadurch einen Meinungsbildungsprozess der Vielfalt zu etablieren –
Wie demokratisch ist unsere Gesellschaft dann wirklich?
Fragen sind wichtiger als Antworten. Die Fragen bleiben, die Antworten wechseln.