Worauf solltest du beim Qigong achten?
Wenn du ohne Lehrer zuhause übst, helfen dir diese Hinweise für dein Qigong.
Qigong zuhause zu praktizieren ist eine einfache und sehr gute Möglichkeit, sein Qi in Fluss zu bringen und zu halten. Du brauchst nur etwas Platz für deine Bewegungen und schon kann es losgehen. Allerdings gilt es einige Dinge zu beachten, damit deine Praxis förderlich für dich ist, und sich nicht ins Gegenteil umschlägt.
Förderlich ist ...
praktiziere in Achtsamkeit
Sei zu mindestens 80 % bei dir und nehme dein Umfeld mit maximal 20 % wahr. Spüre in deinen Leib, nehme war, wie sich die Bewegung anfühlt. Wo fühlst du sie, wo nicht, was bewegt sich, was nicht ...
praktiziere, wenn du praktizierst
Bleibe in Gedanken bei deiner Praxis. Alles andere ist im Moment nicht wichtig. Vergiss die Arbeit, die Beziehung, die Finanzen, die Gesundheit, die Termine ...
praktiziere lieber jeden Tag 10 Minuten
Als einmal in der Woche 1 Stunde. Finde deinen Rhythmus, folge deiner Lust. Übe Qigong nicht, weil du "musst", sondern weil es dir Freude bereitet.
praktiziere ohne Anstrengung
Lasse alle Anspannung los. Spüre vor allem in Kiefer, Schultern, Arme, Brust, Hüfte und Knie und lasse los. Jede Anspannung blockiert das Qi in seinem freien Fluss.
praktiziere ohne Zielsetzung
Es gibt beim Qigong keine Ziele. Praktiziere nicht, um gesund zu werden oder zu bleiben. Praktiziere die Übungen. Der Weg ist der Weg. Alles andere entsteht aus dem Weg, ohne dein zutun.
praktiziere im Einklang mit der Natur
Versuche nichts zu erzwingen. Deine Praxis folgt keiner linearen Logik (wenn - dann), sondern ist eine Einladung an deine Natur, sich zu entfalten. Vertraue darauf, dass die Natur dein Freund ist.
praktiziere in deinem Rhythmus
Tue nichts, was deinem eigenen Rhythmus zuwider läuft. Wähle deine Geschwindigkeit, deinen Bewegungsradius, deine Weite und deine Intensität für die Übungen. Keiner kennt dich so gut, wie du selbst.
praktiziere in Einklang mit deinem Atem
Lass deinen Atem frei fliessen, gibt ihm Raum, gibt ihm Platz. Folge deinem Atem, er wird dich in deiner Praxis führen.
praktiziere aus der Kraft deiner Mitte
Habe deinen Fokus im Dāntián, 丹田 (etwas unter dem Bauchnabel). Von dort erhältst du deine Stabilität, um deine Flexibilität leben zu können.
Hinderlich ist ...
gegen Widerstand zu praktizieren
Was momentan nicht geht, geht momentan nicht. Wo du einen Widerstand spürst, sei es leiblich, mental oder emotional — darf so sein. Nimm ihn wahr, würdige ihn und übergehe ihn nicht.
mit Kraft praktizieren
Qigong braucht keine Kraft, weil das Qi fliesst und alle Bewegungen lenkt. Kraft ist dort nur im Wege. Qigong ist kein Bodybuilding. Lass alle Kraft los und gebe dich dem Qi hin.
mit Anspannung und Anstrengung praktizieren
Jede Anspannung, jede Anstrengung hemmt den Qi-Fluss. Und wo das Qi nicht fliessen kann, blockiert deine Energie. Wenn du zu angespannt bist, übe kein Qigong. Warte, bis die Anspannung nachlässt.
mit Geschwindigkeit und Druck praktizieren
Je schneller, desto besser gilt nicht für Qigong. Im Gegenteil, übe langsamer. Je langsamer du übst, desto intensiver dein Erfahrungsraum. Versuche nichts erreichen zu wollen, mache dir keinen Druck. Übe, mehr nicht. Übe.
unregelmäßig, dann aber intensiv praktizieren
Wandel in der Natur vollzieht sich langsam, in Spiralen. Steter Tropfen höhlt den Stein, langsam wächst der starke Baum, jedoch kontinuierlich. Vermeide intensive Praxis mit langen Pausen, besser sind kleine Praxiseinheiten, dafür regelmäßig.
deinem Atem in fremddefinierte Bahnen zu zwingen
Folge stets deinem Atem. Passe deine Geschwindigkeit, deine Bewegung deinem Atem an, nicht umgekehrt. Habe Geduld mit dir, alles fügt sich so, wie es natürlicherweise für dich gut ist.
zu schnell zu viele Bewegungsabläufe praktizieren
Fange klein an, mit 1, 2 oder 3 Bewegungsabläufen (Qigong-Figuren, Qigong-Abfolgen). Beherrsche diese zuerst, und erweitere dann deine Praxis. Die die Quantität entscheidet, sondern die Qualität deiner Praxis. Qigong ist kein Wettbewerb, wer die meisten Formen beherrscht.
sich selbst verurteilen, weil die erwarteten Fortschritte nicht eintreten
Wenn du Qigong praktizierst, um ein Ziel zu erreichen (gesund werden, Schmerzen reduzieren, ...), dann verurteile dich nicht, wenn die erwarteten Fortschritte nicht eintreten oder nicht schnell genug eintreten. Folge der Natur, vertraue und öffne dich für das Qi. Dann kommt der Rest von alleine.
alles bewerten und vergleichen
Höre auf jede Bewegung zu bewerten, höre auf dich mit anderen und deren Bewegungen und Fortschritte zu vergleichen. Du bist einzigartig. Jedes bewerten und vergleichen führt dich weg von dir, führt dich weg vom Spüren, vom da sein und es fließen lassen.
»Wird eine Technik so vollkommen beherrscht, daß die Bewegung keiner Aufmerksamkeit mehr bedarf, dann erfährt der Mensch, aus aller Spannung entlassen, eine in ichloser Hingegebenheit gewahrte Schwingungsordnung von Leib und Seele, die nicht nur die Leistung aufblühen läßt wie eine Blume, sondern ihm ein Erlebnis vermittelt, das ihn noch weit über den Augenblick hinaus auf eine Stufe des Geistes erhebt, die nicht nur das Abstumpfende des Mechanischen überwindet, sondern einen ganz eigenen Innenwert hat.«
Karlfried Dürckheim
